Das Jahr neigt sich dem Ende, und es ist Zeit, einmal zurückzublicken. Sicher, man soll nicht in der Vergangenheit leben und das tue ich auch nicht. Aber, gerade in meiner Situation, denke ich immer mal wieder an vergangene Zeiten zurück.
Wie war deine Situation vor einem Jahr?
Was ist alles im vergangenen Jahr passiert?
Was wäre heute, wenn du die Operation nicht gemacht hättest?
Wenn ich an die letzten zwölf Monate denke, ist ja viel passiert. Noch am Anfang des Jahres war ich in der Vorbereitung der Magenoperation und hatte so meine Zweifel, ob mir diese Operation überhaupt genehmigt wird. Dann das Auf und Ab der Gefühle als das Warten los ging, die pure und tränenreiche Freude, als der Antrag genehmigt wurde. Die Aufregung vor der Operation und die auftretenden Zweifel Zeit nach der Operation im Krankenhaus, ob das der richtige Schritt war. So viele Tränen sind geflossen; Tränen der Anspannung, der Aufregung, der Erleichterung, der Zweifel und der Freude. Und sie haben mich das ganze Jahr über begleitet.
Meine Gefühle sind Achterbahn mit mir gefahren. Am Ende steht aber fest, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.
Ja, nicht immer ging es mir gut.
Ich musste auch viele Entbehrungen auf mich nehmen. So fällt es mir heute noch schwer, weiche, nicht durchgebackene Weizenmehlprodukte zu mir zu nehmen. Da streikt mein Magen sehr schnell. Somit sind Besuche in einem Fastfood-Restaurant, manchmal eben schnell was auf die Hand vom Bäcker, die Sonntagsbrötchen, eine Pizza etc. völlig ausgeschlossen. Davon hängt mein Leben nicht ab, aber manchmal ist es kompliziert.
Vor noch nicht allzu langer Zeit konnte ich auch keine Nudeln essen. Nicht essen bedeutet einfach, dass ich es nicht vertrage und wenn ich es doch gegessen habe, dann habe ich Bauchschmerzen bekommen, die durchaus länger anhalten können und ein richtiges Unwohlsein auslösen.
Viele Experimente habe ich gestartet, vieles musste ich ausprobieren. Und was heute nicht ging, geht vielleicht morgen oder auch nicht. Der Lern- und Experimentiervorgang ist auch heute noch nicht abgeschlossen. Das wird mich wohl noch eine Weile begleiten. Aber das ist völlig in Ordnung.
Auch die Mengen und die Häufigkeit der Mahlzeiten haben sich geändert und entwickelt. Konnte ich nach der Operation nur flüssige Nahrung von maximal 150 ml zu mir nehmen, hat sich das mit der Zeit geändert. Ich kann wieder mehr essen. Manchmal erschreckt mich das und ich finde das nicht gut, aber der Gang auf die Waage und die Kontrolle durch diese, beruhigen mich dann wieder etwas. Irgendwie bekomme ich es immer wieder hin, dass ich am Ende der Woche doch zufrieden sein kann.
Auch auf die Familie hat diese Operation ihre Auswirkungen gehabt. Irgendwie hat man schon Rücksichtnahme gefordert, aber andererseits sollte keiner durch mich Einschränkungen haben. Das war und ist nicht immer ganz so einfach Dadurch habe ich mich doch sehr mit Essen und Nahrung beschäftigt und habe viele tolle Rezepte im Internet gefunden, die ich bereits gekocht habe und noch ausprobieren werde. Mein Publikum (Familie) ist begeistert und freut sich auf die Köstlichkeiten. Mir gelingt nicht immer alles, was mich dann wieder frustriert und an mir zweifeln lässt. Auch hier also ein auf und ab. Dennoch bleibe ich dran und mache immer weiter. Ich lasse mich nicht entmutigen.
Gedanklich muss ich mich davon befreien, immer alles perfekt machen zu wollen, bzw. das, was ich gemacht habe, als perfekt anzusehen. Für manche Dinge kann ich einfach nichts, wenn ich weiß, dass ich mich ans Rezept gehalten habe. Das fällt mir wirklich schwer, mich gedanklich da zu distanzieren.
Die Suche nach einem Psychotherapieplatz ist super schwer und ich bin da leider auch noch kein Schritt weitergekommen. Dabei merke ich hin und wieder sehr, wie gut mir wahrscheinlich eine Therapie helfen könnte.
So gut das Gesundheitssystem hier ist und ich froh bin, medizinisch gut versorgt zu sein, muss ich die Unterstützung bei der Suche nach einem Therapieplatz, bzw. die psychische Hilfe bei/nach solch einer Operation leider bemängeln.
Ich werde sicherlich früher oder später wieder einen Rappel bekommen und einen weiteren Versuch starten, aber das kostet Zeit, Kraft und Nerven.
In den USA scheint es anders zu laufen. Die sehen dort das Übergewicht, fast immer mit psychischen Problemen verbunden. Deshalb sind dort die Voraussetzungen, solch eine Operation genehmigt zu bekommen, ganz anders. Sehr häufig liegen die Probleme in der Psyche und deshalb ist eine Psychotherapie dort mit Bestandteil der Übergewichtsbehandlung. Schade, dass das bei uns nicht auch so ist. Ich denke, dass die Psyche eine ganz große Rolle spielt und eine Therapie vielen helfen würde, ihr Verhalten zu verändern.
Ich finde immer Projekte, die meine volle Aufmerksamkeit und Zeit in Anspruch nehmen. Immer wieder habe ich neue Ideen, die ich gern umsetzen möchte. Oft scheitert es an der Zeit, die dafür aufgebracht werden muss. Auch dieser Blog nimmt Zeit in Anspruch, und ich weiß, dass wenn ich noch mehr investieren würde, wäre ich eventuell erfolgreicher. Aber in erster Linie dient er dazu, ein wenig den Psychologen zu ersetzen und mir selbst vor Augen zu führen, was passiert ist, wie weit ich gekommen bin, was das alles bedeutet. Und ich möchte wirklich anderen damit Mut machen, diesen Weg zu gehen, wenn sie keinen anderen Weg mehr sehen. Denn ich würde nie jemanden zu dieser Operation raten, wenn er/sie nicht selbst schon so weit ist. Diese Entscheidung ist lebenseinschneidend und -verändernd. Und wer wirklich dazu bereit ist, der sollte das machen. Über alle Konsequenzen und Folgen kann man sich nicht bewusst sein, denn jeder tickt anders und der Verlauf ist nicht absehbar, die Veränderungen sind aber vorhanden.
Es macht wieder Spaß, in den Spiegel zu schauen, Klamotten aus vergangener Zeit anzuziehen, Kleidung in Größen zu tragen, die einem unmöglich erschienen, mobiler und schmerzfrei zu sein – überhaupt gesund zu sein… Es macht Spaß und bringt so viel Freude mit sich. Ja, an diese Gedanken muss man sich gewöhnen, weil sie sich so unreal anfühlen.
Ich bedaure nur eins, und das hat mir ein Bekannter auch gesagt, dass ich diesen Schritt nicht schon viel früher gemacht habe. (Der Leidensdruck war nur nicht hoch genug.) Ich habe das Gefühl, so viel verpasst zu haben. Das stimmt mich traurig und verursacht bei mir schlechte Gedanken. Vor allem habe ich meiner Tochter gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil ich so viele Möglichkeiten des Tobens und der guten Zeit mit ihr zusammen, verpasst habe.
Ich bin dankbar dafür, dass mir die Gelegenheit gegeben wurde, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen, zu ändern und einen besseren und gesünderen Weg zu gehen. Und das innerhalb eines Jahres. Das ist nicht viel Zeit. Allen Menschen, die mich auf diesem Weg begleitet haben, bin ich dankbar und ich liebe sie alle.
Solltet auch ihr diesen Weg gehen wollen, zögert nicht. Es ist die richtige Entscheidung. Du musst nur bereit dazu sein und etwas Mut aufbringen. Gerne unterstütze ich dich dabei und begleite dich, wenn du es möchtest.
